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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 19.07.2007
Aktenzeichen: 11 Ta 249/07
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 148 |
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 13. April 2007 - 1/6 Ca 247/06 - in der durch Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 11. Mai 2007 - 1/6 Ca 247/06 - erfolgten Neufassung aufgehoben.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde gegen einen Aussetzungsbeschluss.
Der am 5. Januar 1964 geborene Kläger wurde bei der Beklagten ab dem 1. Juni 2005 als Vertriebsleiter zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von € 7.032,04 beschäftigt. Am 19. August 2006 erhielt der Kläger von der Beklagten eine außerordentliche fristlose Kündigung. Seit dem 1. September 2006 ist der Kläger bei der Firma A beschäftigt.
Mit der am 25. September 2006 bei dem Arbeitsgericht Darmstadt unter dem Aktenzeichen 2/6 Ca 203/06 erhobenen Stufenklage verlangt die Beklagte von dem Kläger und der A in der ersten Stufe Auskünfte über die Offenbarung und den Erhalt von Betriebsgeheimnissen sowie den Abschluss von Lieferverträgen mit verschiedenen Firmen, in der zweiten Stufe ggf. die Versicherung der zu erteilenden Auskünfte an Eides Statt und in der dritten Stufe Eintritt in die abgeschlossenen Geschäfte oder Schadensersatz. In diesem Zusammenhang erhebt die Beklagte gegenüber dem Kläger den Vorwurf der Konkurrenztätigkeit noch während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses mit ihr sowie die Offenbarung von Betriebsgeheimnissen der Beklagten. Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Darmstadt ist anberaumt auf Freitag, den 17. August 2007.
Mit Mahnbescheid vom 23. Oktober 2006 (Bl. 4 d. A.), der Beklagten zugestellt am 27. Oktober 2006 (Bl. 5 d. A.), hat der Kläger von der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit Zahlung des Nettoarbeitsentgelts für den Zeitraum 1. August 2006 bis 31. August 2006 in Höhe von € 4.081,98 nebst Zinsen verlangt. Nach Widerspruch der Beklagten vom 27. Oktober 2006 hat das Arbeitsgericht nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 13. April 2007 - 1/6 Ca 247/06 (Bl. 38 und 39 d. A.) - die Verhandlung im vorliegenden Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens 2/6 Ca 203/06 ausgesetzt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Beschlussgründe (Bl. 38 d. A.) Bezug genommen.
Gegen den ihm am 20. April 2007 (Bl. 40 d. A.) zugestellten Beschluss hat der Kläger am 4. Mai 2007 bei dem Arbeitsgericht sofortige Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet (Bl. 44 und 45 d. A.). Mit Beschluss vom 11. Mai 2007 - 1/6 Ca 1025/06 (Bl. 48 d. A.) - hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde teilweise abgeholfen und unter Neufassung des Aussetzungsbeschlusses vom 13. April 2007 die Verhandlung im vorliegenden Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens 2/6 Ca 203/06 bezüglich der dortigen Anträge zu I., II. und III. der Klageschrift ausgesetzt. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.
II.
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 13. April 2007 - 1/6 Ca 247/06 - in der durch Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 11. Mai 2007 - 1/6 Ca 247/06 - erfolgten Neufassung ist gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 252 ZPO, 78 ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie gem. §§ 569 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, 572 Abs. 2, 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB, 78 ArbGG frist- und formgerecht eingelegt worden.
2. Die sofortige Beschwerde des Klägers hat, soweit ihr das Arbeitsgericht nicht ohnehin bereits abgeholfen hat, auch in der Sache Erfolg, weil sie begründet ist. Der angefochtene Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 13. April 2007 - 1/6 Ca 247/06 - in der durch Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 11. Mai 2007 - 1/6 Ca 247/06 - erfolgten Neufassung ist aufzuheben. Die Voraussetzungen für eine Aussetzung nach § 148 ZPO liegen nicht vor, da - zumindest nach dem derzeitigen Verfahrensstand - das Verfahren der Beklagten gegen den Kläger und die A vor dem Arbeitsgericht Darmstadt - 2/6 Ca 203/06 - nicht als vorgreiflich angesehen werden kann.
a) Gem. § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist. Neben der Feststellung der Vorgreiflichkeit iSd. § 148 ZPO bedarf es damit auf der zweiten Stufe einer Abwägung der Vor- und Nachteile einer Aussetzung des Rechtsstreits. Diese Entscheidung, ob bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eine Aussetzung angeordnet wird, steht regelmäßig im Ermessen des Gerichts (St. Rspr., u. a. BAG, Urteil vom 27. April 2006 - 2 AZR 360/05 - AP Nr. 55 zu § 9 KSchG 1969 = EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 74, unter B.II). Die ermessensleitenden Erwägungen sind in der Beschlussbegründung durch das Gericht offenzulegen (LAG Hessen, Beschluss vom 6. April 2004 - 1 Ta 106/04 - AR-Blattei ES 160.7 Nr. 223).
Wird eine Forderung einerseits in einer Klage geltend gemacht und andererseits - gleichzeitig - in einem weiteren Prozess - ggf. hilfsweise - zur Aufrechnung gestellt, kann eine Aussetzung eines der beiden Prozesse wegen Vorgreiflichkeit gem. § 148 ZPO in Betracht kommen (Zöller/Greger - ZPO - 26. Aufl. - § 145 Rn 18a). In Rechtsprechung und Literatur bestehen insoweit nur gewisse Meinungsverschiedenheiten, ob eher das Klageverfahren oder eher der Prozess, in welchem die (Hilfs-)Aufrechnung geltend gemacht wird, auszusetzen sind (einerseits Zöller/Greger - a.a.O. - ebd.; andererseits OLG Dresden, Beschluss vom 2. Juni 1993 - 5 W 243/93 - NJW 1994, S. 139). Auf diese Meinungsverschiedenheiten kommt es für die Entscheidung der Beschwerdekammer im vorliegenden Fall allerdings nicht an.
b) Unter Beachtung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 148 ZPO käme eine Aussetzung vorliegend nur dann in Betracht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen eines Rechtsverhältnisses abhängen würde, das den Gegenstand des Parallelverfahrens bildet. Eine solche Vorgreiflichkeit ist jedoch - zumindest nach derzeitigem Sachstand - nicht ersichtlich. Zwar hat das Arbeitsgericht im angefochtenen Beschluss ausgeführt, die Beklagte bestreite die im vorliegenden Prozess eingeklagte Vergütungsforderung für den Monat August 2006 nicht, sondern sie rechne lediglich mit Gegenansprüchen auf bzw. mache diese zum Gegenstand eines Zurückbehaltungsrechts. Für das Beschwerdegericht bestehen allerdings Zweifel an einer Primäraufrechnung. So geht die Beklagte in ihrem Sachvortrag in dem vom Arbeitsgericht als vorgreiflich angesehenen Verfahren - 2/6 Ca 203/06 - von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien bereits mit Zugang der außerordentlich fristlosen Kündigung am 19. August 2006 aus. Wäre diese Kündigung rechtswirksam, käme bereits ein Vergütungsanspruch für die Zeit vom 20. August 2006 bis 31. August 2006 mangels Anspruchsgrundlage nicht in Betracht. Zudem ist im Zweifel die im Prozess erklärte Aufrechnung lediglich eine bloße Hilfsaufrechnung (PWW/Pfeiffer - BGB Kommentar - § 388 BGB Rn 6). Es bedarf daher der Aufklärung, ob die Beklagte, wie vom Arbeitsgericht im angefochtenen Beschluss angenommen, sich auf eine Primäraufrechnung beruft, und damit die im vorliegenden Aufrechnungsprozess eingeklagte Hauptforderung unstreitig ist, oder ob sich die Beklagte vorliegend auf eine Hilfsaufrechnung beruft und sie daneben etwaige sonstige Einwendungen gegen die Vergütungsforderung des Klägers für den Monat August 2006 erhebt. In diesem Fall wäre eine Aussetzung nur zulässig, wenn das Arbeitsgericht festgestellt hat, dass die Hilfsaufrechnung entscheidungserheblich ist. Solange dies unklar ist, weil das Bestehen der Hauptforderung noch offen ist, darf wegen einer Hilfsaufrechnung nicht ausgesetzt werden (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 7. Mai 2007 - 15 W 22/07 - n. v. - juris). Nicht anders ist es hinsichtlich des von der Beklagten geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts. Auch unter diesem Aspekt kann eine - grundsätzlich mögliche (OLG Bamberg - Beschluss vom 20. Dezember 2000 - 7 U 10/00 - OLGR Bamberg 2001, S. 88 f.) - Aussetzung nach § 148 ZPO erst dann in Betracht kommen, wenn das Bestehen der Hauptforderung nicht mehr offen ist. Insoweit wird das Arbeitsgericht - ggf. verbunden mit entsprechenden Hinweisen nach § 139 ZPO - die Beklagte zunächst zur Stellungnahme auf die Vergütungsklage des Klägers auszufordern haben. Dabei ist von der Beklagten klarzustellen, ob die Vergütungsforderung des Klägers für August 2006 unstreitig ist oder ob sie neben dem geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht und der angekündigten Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen andere Einwendungen gegen die Vergütungsforderung erhebt.
III.
Eine Kostenentscheidung hat nicht zu erfolgen, denn die entstandenen Kosten sind als Teil der Kosten des Rechtsstreits ggf. bei der Entscheidung der Hauptsache zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2005 - II ZB 30/0 -, MDR 2006, 704).
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist kein gesetzlicher Grund gegeben, §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG. Damit ist dieser Beschluss unanfechtbar, § 574 Abs. 1 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben.
Ende der Entscheidung
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